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Perspektive 2020 zur Teilhabe, Gleichstellung und Selbstbestimmung der Menschen mit Behinderung

"Sorge nicht, wohin dich der einzelne Schritt führt. Nur wer weit blickt, findet sich zurecht." (Dag Hammerskjöld)

Im Sommer 2010 trafen sich auf dem Lauchbühl in Grindelwald Vertreterinnen und Vertreter von Verbänden aus der Politik, der Forschung und der Sozialplanung, um über die Situation der Eingliederungshilfe in Deutschland zu beraten und Impulse für ihre Weiterentwicklung zu setzen. Die Einsicht in die Notwendigkeit von Veränderungen angesichts der Forderungen vieler betroffener Menschen und der UN-Konvention über die Rechte der Menschen mit Behinderungen führte uns zusammen. Trotz des Willens eine Lösung gemeinsam zu finden, standen wir vor einem scheinbar unüberwindbaren Berg großer Probleme.

Die Grindelwald-Initiative fasst die Ergebnisse der 4-tägigen Diskussion zur Weiterentwicklung der Eingliederungshilfe in diesem Perspektivenpapier zusammen. Es enthält neben der Analyse wichtiger Bedingungen konkrete Handlungsvorschläge zur Umsetzung der Menschenrechtskonvention durch den personenzentrierten Ansatz.
Bis zum Jahr 2020 soll dies nach unserem Vorschlag umfassend erfolgen.

Die Dringlichkeit einer Veränderung ergibt sich aus der Lebenswirklichkeit der Menschen mit Behinderung, dem Grundgesetz, den Gleichstellungsgesetzen und schließlich der UN-Konvention über die Rechte der Menschen mit Behinderungen. Menschen mit Behinderungen haben das Recht auf Teilhabe, Gleichstellung und Selbstbestimmung. In der Eingliederungshilfe - aus dem Geist der fürsorgenden, stationären und damit auch separierenden Sozialhilfe - ist ein solches Recht nicht adäquat realisierbar. Die Gesetzesentwicklung und vor allem die Praxis müssen sich ändern und sich ändern können.

Selbst wenn es zu gesetzlichen Änderungen kommen wird, kann es nicht das Ziel sein, auf einen weiteren Ausbau des bisherigen Systems der Behindertenhilfe zu setzen. Es geht vielmehr darum, durch einen intelligenten Umbau, standardisierte und Abhängigkeiten produzierende Unterstützungsleistungen zu vermeiden und zu gewährleisten, dass die vorhandenen Mittel unmittelbarer beim Leistungsberechtigten ankommen.
Immer mehr Menschen mit Behinderungen fordern individuelle, wohnortnahe, passgenaue und zielorientierte Leistungen. Die pauschale Finanzierung und Leistungssteuerung durch Angebote und Plätze ist weder aus fachlicher, noch aus finanziellen Gründen geeignet.

Das Selbstbewusstsein des bestehenden Hilfesystems ist angegriffen, obwohl es in der Aufbauphase der Versorgungslandschaft für die betroffenen Menschen große und bedeutende Wirkungen erreicht hat. Die Effekte der Eingliederungshilfe in Richtung Teilhabe, Gleichstellung und Selbstbestimmung für die Menschen sind bisher nur partiell realisiert. Land und Kommunen geben immer mehr Geld für Leistungen aus, die bei jeweils unterschiedlicher Sicht für verfehlt oder für unzureichend gehalten werden.
Die Krise der Eingliederungshilfe ist auch eine Krise ihrer Zielsetzungen. Große Einrichtungen, die soziale Sonderwelten ausgebildet haben, sind nicht geeignet Selbstbestimmung und Teilhabe zu ermöglichen. Ambulante Hilfen, die bisher auf geringe Hilfebedarfe ausgerichtet sind, stellen nur erste Ansätze einer Alternative dar. Sie bleiben bislang randständig, da sie zumeist nicht so konzipiert sind, dass sie zur Überwindung der dominanten stationären Versorgung beitragen.

Seit 2008 hat die Arbeits- und Sozialministerkonferenz (ASMK) Vorschläge zur Weiterentwicklung der Eingliederungshilfe vorgelegt. Sie werden unter Umständen in ein Gesetzgebungsverfahren münden. Die Grindelwald-Initiative will diese Überlegungen nutzen, in der festen Überzeugung, dass eine gemeinsame Grundlage für die Weiterentwicklung gefunden werden muss. Dabei ist es klar, dass noch viele Unterschiede in der Auffassung von öffentlichen Trägern, Leistungserbringern, den Betroffenen, Wohlfahrtsverbänden und Selbsthilfegruppen bestehen und bearbeitet werden müssen.

Die Lösungswege, die sich herauskristallisieren, heißen Personenzentrierung, Neuordnung der Inhalte von Grund- und Maßnahmenpauschale, Persönliches Budget und „Personenzentrierte Leistungssystematik“. In der genannten Reihenfolge werden die Lösungen immer konkreter. Um die auch beim Persönlichen Budget noch vorhandene Ungenauigkeit der Sicherung des Teilhabebedarfs zu überwinden, empfehlen wir die Anwendung und Weiterentwicklung von Konzepten einer „Personenzentrierte Leistungssystematik“ (PLS). Dabei geht es im Kern um die geeignete und wirksame Verknüpfung der Planung von individuellen Teilhabeleistungen mit einer darauf aufbauenden zeitbasierten, wirkungsorientierten Vergütung und Leistungserbringung, um auf individuell notwendigen Unterstützungsbedarf nicht mehr mit pauschalen Angeboten und Vergütungen zu reagieren.

Perspektive 2020 zur Teilhabe, Gleichstellung und Selbstbestimmung der Menschen mit Behinderung (copyright: Grindelwald-Initiative 2010)


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